Dr. med. Adriane Röbe

Therapiemöglichkeiten in der Schmerz-und Psychotherapie

Dr. med. Adriane Röbe

Therapiemöglichkeiten in der Schmerz-und Psychotherapie

Vorstellung eines integrativen Therapiekonzepts für Menschen mit chronischen Schmerzen

Erstkontakt

Ein Teil des Praxisschwerpunkts der Praxisgemeinschaft umfasst Menschen mit vorwiegend chronischen Schmerzen. Der Erstkontakt mit der Thematik „Schmerz“ fndet in der Regel über die Fachdisziplin „spezielle Schmerztherapie“ statt. Der Erstkontakt umfasst die Evaluation der Problematik und Diagnoseklärung.

» Ein Großteil der Patienten hat zusätzlich ausgeprägte psychische Beschwerden

Der Zugangsweg zur Praxis (Abb. 1) über das Thema chronischer Schmerz bringt eine Vielfalt von diversen Diagnosen. Ein Großteil der Patienten hat zusätzlich zum Symptom Schmerz ausgeprägte psychische Beschwerden. Die Genese dieser Beschwerden ist sehr breit.

Eine Gruppe dekompensiert aufgrund von Schwierigkeiten im Umgang mit der organischen Erkrankung. Ein großer Teil der Patienten hat allerdings auch primär eine psychische Störung und entwickelt im Verlauf somatoforme Schmerzen.

Bei einem nicht unerheblichen Anteil fndet sich auch eine ausgeprägte posttraumatische Komponente, teilweise aufgrund von Gewalterfahrungen in der Vergangenheit, teilweise stellen aber auch missglückte Operationen mit körperlichen Schädigungsfolgen ein traumatisches Erleben dar.

Häufge Komorbiditäten sind Angststörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen.

Weitere Planung

Einige Patienten bedürfen noch organischer Abklärungen (z. B. Bildgebung), wobei diese eher den kleineren Teil, der beim Erstkontakt bereits somatisch sehr gut abgeklärten Patienten, darstellen. Ein weiterer kleinerer Teil bedarf einer stationären Behandlung (vor allem psychiatrisch). Der übrige Teil benötigt eine individuelle Behandlungsplanung, die dann in der Praxis durchgeführt werden kann.

» Akupunkturbehandlungen stellen einen oft angewendeten Baustein dar

Seitens der speziellen Schmerztherapie bedeutet dies im Anfangskontakt Planung einer medikamentösen Behandlung: Oft umfasst diese Schmerzmedikation, Anbehandlung von Schlafstörungen und Depressionen. Hier wird neben einer leitlinienbasierten Medikation auch Beratung bezüglich naturheilkundlicher Methoden durchgeführt. Akupunkturbehandlungen stellen außerdem einen oft angewendeten Baustein dar. Gelegentlich werden weitere invasive Interventionen notwendig.

Die Wahl der notwendigen Behandlungen (Abb. 1) ergibt sich aufgrund der getrofenen Diagnose und der Präferenzen der Patienten.

Weitere Planung – weitere Fachrichtung

Eine psychiatrisch-psychotherapeutische Abklärung ist ofmals nötig, was in der Praxis geleistet wird.

Bei gravierenden Fällen mit fast ausschließlich schwerer psychiatrischer Symptomatik (Psychosen, schwerste Depressionen etc.) muss eine Weiterüberweisung z. B. an einen Vertragsarzt für Psychiatrie erfolgen.

Weiterbehandlung Psychotherapie
Zu Beginn muss oft das Störungsmodell herausgearbeitet werden, Grundlagen organischer und seelischer Interaktionen müssen vermittelt werden (biopsychosoziales Krankheitsmodell).

Eine therapeutische Beziehung muss aufgebaut sowie ein Verständnis für das Krankheitsmodell des Patienten entwickelt werden. Bei vielen, primär oft rein körperlich orientierten Patienten ist eine adäquate Begleitung zu einem ganzheitlichen Krankheitsverständnis notwendig. Andernfalls entstehen, wie so of, Beziehungsabbrüche. Die Botschafsollte nicht sein, dass die Schmerzen rein „psychisch“ sind. Wenn dies gelingt, kann die weitere psychotherapeutische Arbeit, sollte diese nötig sein, beginnen.

In der Regel haben Menschen mit chronischen Schmerzen einen erhöhten Stresslevel [1]. Daher ist ein weiterer wichtiger therapeutischer Schritt die Vermittlung im Umgang mit Stress. Im psychotherapeutischen Setting sollen Patienten sich wieder handlungsfähig erleben, notwendige Veränderungsschritte ausarbeiten und umsetzen lernen.
Es wird überwiegend mit ressourcen- und zukunfsorientierten Verfahren gearbeitet.

Für ein tieferes Verständnis der Problematik ist zumindest eine basale Aufarbeitung der biografschen Anamnese notwendig. Häufg ist das Tema „Schmerz“ nur eine Brücke, um schamhaf besetzte Gedanken bezüglich Psychotherapie zu überwinden. Ist die Beziehung erst mal hergestellt, die Scham überwunden, spielt das Tema „Schmerz“ of keine entscheidende Rolle mehr.

Schema Behandlungspfad. EMDR Eye Movement Desensitization and Reprocessing, NADA National Acupunture Detoxification Association, PMR progressive Muskelrelaxation

Eine rein kognitive Besprechung der Beschwerden ist jedoch meist nicht ausreichend. In der Psychotherapie kommen je nach Indikation und Persönlichkeit des Patienten noch andere Verfahren zum Einsatz.

Weitere therapeutische Verfahren

Bei noch sehr präsent traumatischen Erlebnissen können mittels EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) einige Traumaelemente bearbeitet werden. Dadurch erlebt der Patient sich als handlungsfähig und traumatische Erinnerungsfragmente können oft rasch aufgelöst werden [2].

In der Praxis wird die EMDR-Behandlung v. a. bei klar defnierten Traumata durchgeführt, eine längere Traumatherapie schließt sich eher selten daran an. Hier wird zu anderen Fachärzten weiterverwiesen.

Ein weiteres Element ist die Hypnotherapie. Mittels Hypnotherapie ist es oft möglich, weitere Ressourcen des Patienten zu aktivieren. Außerdem kann Patienten mittels dieser Terapie ein Werkzeug im Umgang mit dem Schmerz an die Hand gegeben werden [3].

Weitere Elemente
Akupunktur stellt in dieser Praxis einen sehr wichtigen Terapiebaustein im Umgang mit chronischen Schmerzen dar. Einerseits zur symptomatischen Schmerzbehandlung (Triggerpunkte, Dry Needling, Elektroakupunktur) bzw. klassisch nach den Disharmoniemustern der TCM. Des Weiteren ist Akupunktur ein sinnvolles nonverbales Terapieinstrument.

Hier werden Patienten im klaren Rahmen bezüglich ihrer Symptomatik, die zu Beginn überwiegend somatisch wahrgenommen wird, ernst genommen, was wiederrum die therapeutische Beziehung stärkt.

» Durch Akupunktur kann der Therapeut eine bessere Distanz gewinnen

Chronische Schmerzpatienten lösen auch aufseiten des Terapeuten oft schwierige Gefühle wie Hilfosigkeit und Verärgerung aus. Durch Akupunktur kann der praktisch handelnde Terapeut oft eine bessere Distanz bei komplizierten Prozessen gewinnen. Dadurch können auch schwierige verbale Interventionen of besser durchgeführt werden. Ein weiterer positiver Aspekt der Akupunktur ist die oft entspannende Wirkung.

Neben der Einzelakupunktur bietet die Praxis für die Patienten Gruppensitzungen in NADA-Ohrakupunktur an. In wöchentlichen Abständen kommt die Gruppe (max. 9 Patienten) für eine Akupunktur in sitzender Haltung zusammen. Der Schwerpunkt dieser Stunde liegt vor allem auf dem stressmindernden Efekt, einerseits durch die Akupunktur, andererseits durch das Gruppensetting. Die Haltung des Terapeuten ist hier ofen, es wird nichts gefordert oder hinterfragt. Gegenwärtig wird die Gruppe mittels Fragebögen bezüglich der Symptomentwicklung und der Entwicklung bezüglich Lebensqualität evaluiert. Da das gesamte Praxisteam im NADA-Protokoll ausgebildet ist und die Behandlung sehr schnell durchzuführen ist, können auch Patienten außerhalb der Gruppensitzungen jederzeit kommen, z. B. für Schlafstörungen, erhöhte Anspannungszustände oder Schmerzen.

Akupunktur, aber auch andere körperorientierte Verfahren, werden zwar durch die Terapeuten durchgeführt und sind im weitesten Sinne daher als „passive“ Terapiemaßnahmen zu werten. Es werden aber durch das leibliche Spüren getriggerte Prozesse eingesetzt, die für die Patienten in Richtung Mind/Body-Erfahrung oder Meditation gehen. Viele Patienten sind ofzu Beginn einer Terapie noch nicht dazu in der Lage, solche Prozesse aktiv einzusetzen und zu steuern. Daher stellt die Akupunktur hier eine wertvolle Brücke bei der Wahrnehmung solcher Prozesse dar.

Um Patienten ein Instrument aus der chinesischen Medizin an die Hand zu geben, das sie selbst aktiv anwenden können, und sie in ihrer eigenen Kontrollfertigkeit zu stärken, werden im Verlauf einige Akupressurpunkte besprochen. Auch einfache Ernährungsratschläge im Sinne von chinesischer Diätetik, die sie einfach umsetzen können, werden je nach Indikation diskutiert.

Anleitung zu aktiven Elementen
Stress und Schmerz sind nicht „nur“ ein psychologisches Problem, sie sind auf hormoneller Ebene messbar [1]. Daher sind Terapieverfahren, einerseits Bewegung zum Stressabbau, Entwicklung eines Körpergefühls, andererseits Entspannungsverfahren zur Regulierung des vegetativen Ungleichgewichts durch z. B. progressive Muskelrelaxation, Qigong oder Yoga, notwendig.

Of behindern eigene negative kognitive Denkschemata die Patienten in die Handlung zu kommen, daher müssen schrittweise diese Muster gemeinsam aufgelöst werden. Dann kommen die Patienten weg vom Erlebnis des Scheiterns hin zum Erleben ihrer „Selbstwirksamkeit“.

Empfohlen wird oft für den „Einstieg“ in Entspannungsverfahren die progressive Muskelrelaxation nach Jakobsen, was die Patienten mithilfe von CDs selbstständig zu Hause durchführen können.

Externe Empfehlungen
Je nach Störungsbild wird Physiotherapie oder Manualtherapie verordnet. Sport wird empfohlen, geeignete Möglichkeiten werden eruiert. Eine Betonung ist der Nutzen von Alltagsbewegungen (zu Fuß gehen, Treppen benützen).

Fazit

Das Terapiekonzept der Praxis basiert in erster Linie auf einer leitliniengerechten fachärztlichen Behandlung. Bei der Arbeit mit chronischen Schmerzen wird man mit sehr unterschiedlichen Erkrankungen und Persönlichkeiten konfrontiert. Daher sind auch unterschiedliche, oft multimodale Vorgehensweisen notwendig [4, 5]. Oft ist eine geeignete Mischung aus aktiven (Psychotherapie, Bewegung, Entspannungsverfahren) und passiven (Massage, Akupunktur, Medikamente) Terapiemethoden notwendig, um den Patienten im Verlauf der Behandlung heraus aus seiner Hilfosigkeit und Passivität in die Lage zu versetzen, seiner Erkrankung aktiv im Glauben an die eigene Wirksamkeit begegnen zu können. Da Patienten unterschiedliche Zugangswege zu ihrer Problematik haben, sollen weitere Terapiemethoden integriert werden, um die Behandlungserfolge weiter zu optimieren (z. B. Biofeedback).

Literatur

  1. Egle UT et al (2017) Psychosomatische Schmerztherapie, Grundlagen, Diagnostik, Therapie und Begutachtung. Kohlhammer, Stuttgart
  2. Haygarth J (1801) Of the imagination, as a cause and as a cure of disorders of the body; exemplifed by fctitious tractors and epidemic convulsions. R. Cruttwell, Bath
  3. Jensen MP, Patterson DR (2015) Hypnotic approaches for chronic pain management: clinical implications of recent research fndings. Am Psychol 69(2):167–177. https://doi.org/10.1037/a0035644
  4. Banerjee S, Argáez C (2017) Multidisciplinary treatment programs for patients with chronic nonmalignant pain: a review of clinical efectiveness, cost-efectiveness, and guidelines. Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health, Ottawa
  5. Ho C, Argáez C (2017) Occupational therapy for chronic pain management using the Biopsychosocial approach: a review of the clinical and costefectiveness and guidelines. Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health, Ottawa

Quelle: DZA – Deutsche Zeitschrift für Akupunktur, Heft 1, Februar 2019
Autor: Dr. med. Adriane Röbe, Augsburg