Dr. med. Adriane Röbe

Eine Woche im Shaolin-Kloster

Dr. med. Adriane Röbe

Eine Woche im Shaolin-Kloster

Körperliches und mentales Training für die Zeit danach

Um neue Einblicke zu gewinne und kommende Entwicklungen auszuloten, verbrachte ich gerade eine Woche im einem Shaolin Kloster.
Hier ein spontaner Bericht über meine dortige Zeit:

Der Shaolin Temple Europe in Otterberg ist ein buddhistischer Orden, in dem neben der spirituellen Aspekte des Buddhismus auch Kampfkünste und Bewegungsformen gelehrt und angewendet werden.
Der Großteil der dort lebenden Novizen sind Kampfmönche. Die Kultivierung der Kampfkünste dient den Mönchen in erster Linie der Selbstfindung, als eine Form der Meditation und der buddhistischen Praxis. Der Kampf, also die körperliche Auseinandersetzung, steht dabei nicht im Mittelpunkt, auch wenn es von außen diesen Anschein erweckt und dieses Bild durch Fernsehen und öffentliche Shows transportiert wird. Dass die Mönche des Ordens kämpfen könnten, ist also eher so etwas wie ein Nebenprodukt aber nicht Ziel und der Zweck der ganzen Ausbildung.

Nichts desto trotz, gilt für die erste Stufe des Zen:
Als erstes muss Klarheit über den Körper erlangt werden, Blockaden müssen erkannt und gelöst werden. Der Körper muss trainiert werden, um Hindernisse zu überwinden, um den Zusammenhang von Körper und Gefühlen wiederherzustellen.

Das bedeutet also vor allem initial hartes körperliches Training- neben den strengen rituellen und spirituellen Rahmen, so wie es ihn wohl in jedem anderen Kloster gleich welcher Religion gibt.

Um daran teilnehmen zu dürfen, habe ich mich für eine Woche „Kloster auf Zeit“ beworben. Ich hatte das Glück, einen Platz zu ergattern und als Kurzzeitnovize am Klosterleben teilnehmen zu dürfen.

Das Nebenprodukt – das körperliche Training – bereitete mir im Vorfeld einige Sorgen. Ich war mir unsicher, ob ich den Anforderungen genügte, aber der Herausforderung wollte ich mich unbedingt stellen.

Erfahrungen:

1. Dr. Dornach: Jetzt ist es ja für uns alle höchste Zeit, um die persönliche Weiterentwicklung und das Training der Flexibiliät als Überlebensstrategie zu stärken. Inwiefern gelingt dies im Shaolin Kloster besonders gut?

Interessanterweise, weil es eine es eine feste Struktur im Ablauf und keine Flexibilität gibt.

„Structure without structure“ nennt dies Sifu Shi Heng Yi, der leitende Meister des Klosters.

Man braucht keine Energie mehr für ständige Entscheidungsfindungen (Kleidung, Essen, Tagesablauf).
Indem man in starren Strukturen mit einem festen Tagesablauf lebt, gewinnt man die Freiheit, sich auf die Inhalte fokussieren zu können.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Entscheidung dazu freiwillig getroffen wird.

2. Dr. Dornach: Welche Erfahrung war für Sie wirklich neu?

Die meisten Dinge waren mir theoretisch schon bekannt, es war aber eine neue Erfahrung diese, seien es mentale oder körperliche Erfahrungen, so unmittelbar und intensiv selber zu erfahren.

  1. Wirklich gespürt zu haben, wie wichtig es ist zu trainieren und sich immer wieder, auch wenn die Gedanken und der Körper schwach werden, weitermacht.
    Immer wieder übt, sich auf den Moment zu fokussieren.
    Das herausfordernde Training bezieht sich übrigens nicht nur auf das körperliche Training, sondern auf die meditativen Einheite
  2. Die direkte und permanente Konfrontation mit seinen eigenen inneren mentalen Widerständen.
    Wie Sifu Shi Heng Yi sagt, findet im Kloster jeder schnell heraus, wo seine persönlichen Schwachpunkte liegen. Man entscheidet sich dann selber, ob man darunter leiden möchte oder diese annehmen kann.
    Es ist dann die persönliche Entscheidung, ob man bereit ist, daran zu arbeiten und sich zu verbessern.Die Buddhisten sprechen von den sogenannten 5 Hindernissen:
    Mit der Theorie der 5 Hindernisse werden gedankliche Blockaden, die zum Scheitern führen, erklärt.
    Gier:
    Sinnliches Begehren. „Ich habe Hunger, Ich hätte gerne eine Zigarette, ich wäre jetzt gerne beim Shoppen.“
    Wut:
    „Was mache ich hier eigentlich? Das ist doch alles Blödsinn!“
    Trägheit: „Ich könnte auf der Stelle einschlafen, mir ist Langweilig.“
    Zweifel/Misstrauen:
    „Ob das wirklich etwas für mich ist?“
    Rastlosigkeit: Man findet nie seine Ruhe, sucht ständig nach Fehlern.
  3. Da die Lehre des Buddhismus für mich neu war, war auch der sogenannte achte Pfad der Erkenntnis neu für mich.
    1. Bemühe dich um Weisheit und verhalte dich immer richtig
    2. Sei gelassen und friedfertig
    3. Lüge niemals
    4. Tue keinem Lebewesen Böses und stiehl nicht
    5. Schade niemandem und zerstöre nicht die Natur
    6. Gib dir Mühe und erfülle deine Pflichten, auch in der Religion
    7. Sei achtsam, denke und handele stets besonnen.
    8. Konzentriere dich, denke nach und meditiere.
  4. Insgesamt erschien mir die Lehre des Buddhismus sehr lebensnah und pragmatisch und wesentliche Aspekte sind gut umsetzbar.

Für mich ist es eine sehr moderne Philosophie, die als Kernthema die Veränderung hat.

3. Dr. Dornach: Welche Erkenntnisse waren für Sie besonders wichtig?

Die wichtigsten Punkte kurz zusammengefasst:

  • Struktur macht frei
  • Erst regelmäßiges Training führt zu Verbesserungen
  • Gedanken und Gefühle achtsam beobachten lernen
  • Sich mehr im Hier und Jetzt fokussieren
  • Energien besser lenken
  • Von Anderen lernen
  • Klare Entscheidungen treffen

Eine Strukturierung ist hilfreich, um weniger Energie zu verschwenden, die man besser anderweitig nützen kann.
Struktur hilft gegen innere Widerstände. Sie gibt Sicherheit und ein Kontrollgefühl. Dadurch sinkt die Angst vor Veränderungen, auf die man sich dann besser einlassen kann.

Eine Erkenntnis die jeder kennt und oft scheut: Raus aus der Komfortzone.
Erst außerhalb der persönlichen Komfortzone wird man mit seinen Defiziten konfrontiert. Indem man sie akzeptiert, kann man daran arbeiten und wachsen.

Wenn man sich durch seine eigenen Gedanken nicht blockieren lässt, kommt man weiter als man gedacht hat.

Am erfolgreichsten ist man, wenn man einfach weitertrainiert, ein klares Ziel vor Augen hat, achtsam bezüglich seiner Möglichkeiten ist und sich dementsprechend steigert.

Und es, wenn man sich mental auf ein Ziel fokussiert, immer weitergeht, als einem die inneren Blockaden sagen wollen.

Ein kleines Beispiel eines meiner persönlichen inneren Kämpfe:
100 Liegestütze? „Das schaffe ich nie“. Der Gedanke führt dazu, dass man sich nicht anstrengt und natürlich scheitert.
Besser ist es, die Aufgabe zu Fokussieren und den Willen zu haben, es zu schaffen. Auch wenn es dann nicht ganz 100 werden. Man ist überrascht, wie weit man in Richtung seines Zieles kommt.“

Es ist bereichernd, auch einmal die Rolle zu tauschen, sich in die Position des Schülers zu begeben. Sich belehren zu lassen und zu folgen, dort zu trainieren, auch und gerade dort wo die Schwächen liegen. Trainieren muss man selber, aber der Lehrer zeigt einem, wie man seine Energien besser lenken kann.

4. Dr. Dornach: Worin liegen denn die größten Blockaden für die Umsetzung?

Die größten Blockaden sind wir selber. Wir mit unseren Gedanken.

  1. Die 5 gedanklichen Hindernisse aus der buddhistischen Lehre Gier, Wut, Trägheit, Misstrauen/Zweifel und Rastlosigkeit bringen uns immer wieder vom Ziel ab.
    Dass diese Gefühle mal mehr mal weniger während eines Prozesses aufkommen, ist vollkommen normal. Will man Dinge umsetzen, darf man den Gedanken nicht nachgeben, sondern sollte sich damit auseinandersetzen. Dann ist der Prozess fruchtbar und kann wachsen.
  2. Viele scheitern an der Erwartung, dass die Dinge sich sehr schnell ändern müssen und mühelos gelingen müssen. Aber ein Prozess hat immer wieder Höhen und Tiefen. Tiefen sollten als Entwicklungsschritt wahrgenommen werden. Sie sollten akzeptiert und bearbeitet werden.
    Training gehört zur Leistungssteigerung unbedingt dazu. Erst durch Wiederholung wird man besser.
  3. Eine weitere Blockade ist das Klammern an der Vergangenheit. Die buddhistische Philosophie rät, sich möglichst auf das hier und jetzt zu konzentrieren.
  4. Ein chinesischer Spruch besagt: Das Alte muss gehen, damit das Neue kommen kann.
  5. Eine der größten Blockaden ist letztendlich immer, dass man bezüglich Entscheidungen zögert. Wir wollen Veränderung, halten aber an der Vergangenheit fest, da dies sicherer erscheint. Klare Entscheidungen zu treffen spart viele Energie.

5. Dr. Dornach: Wer die Faszination Shaolin Kloster nicht in seinen Lebensplan einbauen kann, was raten Sie Ihm als Alternative?

  1. Einige feste Strukturen etablieren.
    Den ganzen Tag permanent Entscheidungen zu treffen raubt viel Energie (Was macht mir jetzt Spaß?, wann soll ich aufstehen?…..). Das Verhältnis von Struktur und Freiheit sollte ausgeglichen sein. Sind kürzere Phasen von Strukturlosigkeit (Wochenende, Urlaub) beflügelnd, rauben sehr lange Phasen Kraft.
  2. Ziele setzen
    Beginnen Sie am besten mit kleinen Zielen und arbeiten regelmäßig an deren Umsetzung.
    Fassen Sie sich Ziele in unterschiedlichen Lebensbereichen.
    Sie werden besser, je mehr sie trainieren. Fehler dienen der Weiterentwicklung. Stellen Sie sich aber auch gezielt Aufgaben, die Sie neu lernen wollen oder verbessern wollen. Bleiben Sie auch dann dran, wenn es mühsam wird.
    Das trainiert die Durchhaltekraft, aber auch andere Hirnareale. Training anderer Hirnareale fördert die Flexibilität.
    Ich zum Beispiel habe angefangen, wieder Spanisch zu lernen. Viel es mir am Anfang sehr leicht, da ich schon recht viel konnte und es nur aufgefrischt habe, wird es nun mühsam und – sie wissen schon- meine 5 Hindernisse in den Gedanken melden sich wieder.
  3. Klare Entscheidungen treffen
    Vermeiden Sie, keine Entscheidungen zu treffen oder zu lange zu zögern.
  4. Raus aus der Komfortzone
    Konfrontieren Sie sich gezielt mir Ihren Ängsten. Setzen Sie sich Aufgaben, die Sie sonst nicht haben. Nehmen Sie Ihre Ängste wahr, und wie sie diese überwinden.
    Nehmen Sie sich jedes Jahr ein oder zwei kleine Ziele vor, bei denen Sie Ihre Komfortzone verlassen müssen. Seien Sie stolz darauf, wenn sie das schaffen (und vergleichen sich nicht mit anderen).
  5. Auseinandersetzung mit inneren Blockaden
    Spüren sie, welche der 5 Hindernisse (Faulheit, Zweifel? Wut?…) Sie blockieren.
    Setzen Sie sich damit auseinander und überlegen Sie, ob Sie diese überwinden wollen.
  6. In der Gegenwart bleiben
    Lassen Sie Vergangenes mehr los, lernen Sie sich auf Momente zu fokussieren, lernen Sie unangenehme Gedanken ziehen zu lassen.
  7. Achtsamkeit trainieren
    Nehmen Sie sich Bereiche vor, in denen Sie Achtsamkeit im Moment üben (z.B. Mediennutzung, Essen etc…)
    Gemäß folgender Geschichte:
    Ein buddhistischer Meister wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so glücklich sein könne.
    Er sagte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich …“ Dann fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: „Das tun wir auch, aber was machst Du darüber hinaus?“
    Er sagte wiederum: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich …“
    Wieder sagten die Leute: „Aber das tun wir doch auch!“
    Er aber sagte zu ihnen: „Nein – wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.“

6. Dr. Dornach: Was hat diese Lehre/Grundidee mit dem neuen Management zu tun?

Shaolin-Mönche sind buddhistische Mönche. Die Lehre ist sehr pragmatisch und zukunftsorientiert und passt gut zu neuen Managementstrukturen.

  • Neuen Entwicklungen offen begegnen.
  • Von negativen Gefühlen lernen, Abstand zu nehmen.
  • Lernen, besonnen zu handeln und zu reden.
  • Scheitern als notwendige Erfahrung zu betrachten, die der Weiterentwicklung dient.
  • Ziele fokussieren und an deren Realisierung arbeiten, am besten regelmäßig und strukturiert.
  • Die buddhistische Lehre besagt aber auch, dass man nicht rücksichtslos seine Ziele verfolgen sollte.
  • Vorurteilsfrei primär ohne negative Grundideen den Dingen oder den Mitarbeitern eine Chance zur Entwicklung geben.
  • Gleichzeitig als Management eine Struktur vorgeben, die Sicherheit durch Orientierung schafft. Durch die Vorgabe eines Rahmens können sich Ideen besser frei entfalten.

Die Werte des Unternehmens sollte der Vorgesetzte vorleben und seine Mitarbeiter nach den gleichen Prinzipien behandeln.
Das Management sollte auch Bedürfnisse der Umwelt, damit sind vor allem die Mitarbeiter gemeint, berücksichtigen. Es ist nicht lediglich eine gute Tat, wertschätzend mit seinen Mitarbeitern umzugehen.
Wie man aus vielen Untersuchungen weiß, sind zufriedene Mitarbeiter produktiver, sie haben weniger Krankheitstage. Sie kündigen seltener. Neue Mitarbeiter einzuarbeiten kostet nicht nur viel Energie, sondern auch finanzielle Ressourcen.

7. Dr. Dornach: Was hat diese Lehre/Grundidee mit dem neuen Marketing zu tun?

Das Wesentliche besagt der Leitspruch des Klosters:

“There are two mistakes along the way to mastery:
Not starting it and not going all the way. “

  • Analysieren und Handeln, nicht zu lange zaudern.
  • Neue Ideen wahrnehmen und erst einmal wertfrei prüfen.
  • Sich auf die Gegenwart und Zukunft einlassen, anstatt an alten Strukturen festhalten.
  • Veränderungen als natürlichen Entwicklungsprozess wahrnehmen, ohne Angst zu betrachten und sogar mit Freude Veränderungen selber anstoßen.
  • Ziele sollten klar formuliert werden. Man sollte sich konkrete Gedanken über die Umsetzung machen und diesen Weg konsequent verfolgen.
  • Weiterentwicklung ist ein fortlaufender Prozess. Fehler sind Teil auf dem Weg zur Verbesserung.
  • Man sollte nicht fixiert sein auf eigene Ideen oder alte Wege, sondern seine Umgebung aufmerksam beobachten und von ihr lernen.
    Erst durch Beobachtung kann ein Gespür dafür entwickelt werden, was jetzt gefragt ist.
    Kundenbedürfnisse sollten klarer analysiert werden. Darauf sollte das Marketing ausgerichtet werden.

8. Dr. Dornach: Welche Aktitvität werden Sie als Erstes in die Tat umsetzen?

 

Vor allem möchte ich bei allen Aktivitäten fokussierter auf den Moment sein.

Ich möchte mir meiner eigenen persönlichen inneren mentalen Hindernisse noch mehr bewusst sein und aus der Erkenntnis heraus klare Entscheidungen ableiten.

Für mich persönlich ist körperliches Training unbedingt ein Teil der mentalen Weiterentwicklung. Daher bleibe ich auch hier weiter im Training.

Auch wenn mein Ziel ist, auf unterschiedlichen Ebenen besser zu werden, ist Glück und Gelassenheit nicht nur von äußeren Bedingungen wie Erfolg abhängig.
Hat man verstanden, dass man eigentlich immer glücklich sein kann, egal, was passiert, hat man gelernt sich von seinen unangenehmen Gefühlen nicht aufsaugen zu lassen, sondern diese von außen zu betrachten, weiß man, dass man eigentlich für alles gewappnet ist und kann ohne Angst weitergehen. Neugierig auf alles, was einem begegnet.

Sifu Shi Heng Yi sagt dazu:
Even if the world is burning, it does not matter.

Ich bin gespannt, welche neuen Einblicke ich erhalte, wenn ich im nächsten Jahr wieder eine Woche im Shaolin Tempel verbringen darf.
Trotzdem werde ich erst einmal einen Kaffee trinken – das war im Kloster nicht erlaubt.

Kontakt: www.shaolintemple.eu

Quelle: Gastbeitrag 133/1 von Dr. med. Adriane Röbe auf http://unimarketinggroup.de/aktuelles